Die Autorin erzählt in 14 Kurzgeschichten von ihrer Kindheit auf dem Land, der Jugend und dem Leben in der Großstadt. Das muß man einfach aufschreiben, sagt die Autorin. Beim Erinnern genau beinander sein. Als Zeichnerin und Illustratorin im Brotberuf muß Ingrid Kellner genau beobachten, das tut sie auch in ihren Texten. Mit einem Schönfärben der sogenannten guten alten Zeit haben die Geschichten nichts zu tun. Die Schattenseiten rücken nicht aus dem Blickfeld; in diesem Sinne kann man den Titel auch bairisch so lesen: "Jetzt hast es aber gnau beinand!"
Meiner Oma muss ich ein Gedächtnis schreiben
Meiner Oma muss ich ein Gedächtnis schreiben, allein schon deswegen, weil sie meiner Mutter ihre Mutter war. Das muss man doch alles aufschreiben: wie gut es gerochen hat beim Bügeln. Auch die andere Oma hat gebügelt und meine Mutter auch, eine jede ein bisschen anders, in den Bewegungen, mit anderen Bügeldecken, anderer Wäsch, verschiedenen Eisen.
Man muss doch aufschreiben, wie man Grießnockerl anrührt, wie man Leute abfertigt im Laden drunt, wenn sie eine Batterie kaufen oder was Repariertes abholen.
Wie man Nudelteig macht, ihn auswalkt, dass der Tisch wackelt und dann auf Handtüchern übers Stiegengeländer hängt zum Trocknen. Wie man den Herd anheizt, den alten Wamsler, wie man das Nähkasterl verkommen lässt, damit so ein Kind es mit Genugtuung und viel Lob wieder aufräumen kann. Wie man abspült, wie man Butterschmalz auslasst. Wie man die Treppen hochschnauft, weil das Telefon schon wieder läutet und wie man dem Opa die Brotzeit herricht auf seinem Bretterl. Wie man die Wäsch einsprengt, wie man die Erdbeeren mit Holzwolle unterlegt, wie man den Schnittlauch abschneidet und die Johannisbeeren zupft. Wie man einweckt. Was noch?
Wie man, wie sie, den Anker wickelt, wie ihr dabei der Kupferdraht in der Zeigefingerrille liegt und die Brille auf der vorderen Nasenspitze. Wie sie eine Postkarte schreibt mit ihrer deutschen Schrift, und der Kugelschreiber schmiert. Die Fleischsuppe kocht schon oben auf dem Herd. Der Ausguss wird mit Ata geputzt. Ihre Lippen sind manchmal blau.
Ihr Kleiderschrank: ihre Kleiderbügel, ihre Kleiderschürzen, ihre Tücheln. Das dünne, mit dem wir Unsichtbar spielen und sie uns lässt, obwohl es ein teures ist und sie es am Sonntag in die Kirch anzieht. Ihr Platz ist auf der Frauenseite, zu der man hinter dem Hochaltar durchgeht. Da sind die Latten, die Blumenkübel, die Engel von hint, das ganze Gerüst und Abgestütze der vorderen Herrlichkeit, ein heiliges Theater. Der gefüllte Kalbsnierenbraten nach der Kirch und ihr einmaliger Kartoffelsalat. Eine Delikatesse, wie der Opa jedesmal stolz sagt, wenn er ihn am Tisch ein letztesmal vorsichtig mischt. Den teilt er aus. Er hat die Kartoffeln zur richtigen Mondzeit angebaut.
Meiner Oma ihr Schokoladenpudding in der rosa Glasschüssel, die ich vorher mit kaltem Wasser ausspülen darf, bevor der heiße Pudding hineinkommt und dann im Gang beim Telefon vor dem Fliegengitterfenster zum Kühlen abgestellt wird. Und wie sie das Weißbier für den Opa mit einem zugezwickten Auge waagrecht einschenkt, ganz langsam, damit es nicht so schaumt.
Warum nur hat sie mich und uns so gern gehabt, wenn nicht aus dem Gernhaben heraus. So einfach ist das, weil, sonst haben wir ihr nur Arbeit gemacht. Sie hat uns gern gehabt, weil wir Kinder waren.
So könnt man es aufteilen: Die Oma im Garten, die Oma in der Küch, die Oma im Laden, die Oma beim Putzen mit der Frau Wieler, die Oma am Sonntag, die Oma auf d’Nacht. Und zum Schluss auch noch die Geschichte mit der Tant Margot, weil sie da eine Ungute war, eine Harte, eine Verbitterte, der das Geschäft den Bach vorm Haus hinabgeschwommen ist. Und ganz zum Schluss ihre Krankheit und ihr armseliger Tod im Krankenhaus. Die Trauer vom Opa, wie er immer weint und ihr Bild im Wohnzimmer steht, und wie er sich das trockene, wachstischtuchsauberne Haushalten der Tant Resl gefallen lassen muss und seinen Stolz verliert und auch ins Krankenhaus kommt zum Sterben, wo seine Hände auf der Bettdecke ein eigenes, das alte Leben, weiterführen, aber nur noch die Hände und die viel zu viel.
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