Drei Orangen für dich
Im Sozialismus waren Orangen wie alle Früchte, bis auf Äpfel, Mangelware. Noch seltener als Klopapier. Orangen gab’s höchstens vor Weihnachten. Das ganze Jahr hindurch freuten wir Kinder uns auf den Dezember. Wenn am Nikolaustag im Strumpf eine Orange auftauchte, warst du ein Kapitalist und Luxusschlemmer und konntest vor dem ganzen Dorf angeben.
Mit fünfzehn bin ich bei einem Fußballspiel gegen die Senioren unseres Vereins mit dem Traktoristen Pepa zusammengestoßen. Der darauffolgende Aufenthalt im Krankenhaus stellte sich als Glücksfall heraus: Barka, ein Mädchen, das auf ihre Nierenoperation wartete, hat mich geküsst. Huch! Der erste richtige Kuss im Leben.
Doch es sollte noch paradiesischer werden. Meine Mutter brachte mir drei Orangen ins Krankenhaus. Wie drei Sonnen strahlten die Früchte auf meinem Blechnachttisch. Diese heiligen Orangen konnte ich nicht einfach wegfuttern. Das wäre zu gewöhnlich, ja, dumm. Ich würde mit den Orangen jonglieren lernen. Und dann sie zusammen mit Barka essen.
Damals ohne YouTube lernte ich das Jonglieren ganze fünf Tage. Erst am Tag von Barkas Nieren-OP konnte ich es. In der Früh danach lief ich in Barkas Zimmer. Doch sie war nicht mehr da - ihr Bett frisch bezogen. Als ich ihre Zimmernachbarin nach Barka fragte, sah sie mich nur komisch an.
Am kommenden Sonntag war meine Mutter zu Besuch. „Du hast die Orangen noch nicht gegessen, Jarek? Die haben uns ordentlich viel Geld gekostet.“ Sie schälte die erste Orange: „Pfuiteufel! Was ist das?“ Das Fruchtfleisch der Orangen war durch das ständige Aufschlagen beim Jonglieren zum stinkenden braunen Batz geworden. „Was hast du damit gemacht?“
„Jonglieren gelernt.“
Wieder mal sah meine Mutter mich fassungslos an: „Ich dachte, ich bin die Verrückteste in der Familie“, sagte sie. „Du aber toppst alle.“
Doch mir taten die kaputten Orangen nicht leid. Wozu wären sie auch gut? So ohne Barka.
Text: Jaromir Konecny, aus dem Buch "Du wächst für den Galgen"
Foto: Jaromir Konecny
Foto Autor: Helena Gruschka