Wolf Peter Schnetz, 1939 in Regensburg geboren, studierte in Erlangen, Mainz und München Germanistik, Anglistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft. Von 1968 bis 2000 arbeitete er als Kulturdezernent zuerst in Regensburg, später in Erlangen. Seit 2001 lebt er als freier Schriftsteller wieder in Regensburg.
Wolf Peter Schnetz schreibt Lyrik und Prosa, er veröffentlichte ca. 40 Bücher. Für sein Werk wurde er ausgezeichnet u.a. 1988 mit dem Joachim-Ringelnatz-Preis der Stadt Cuxhaven und 2000 mit dem Friedrich-Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Im lichtung verlag erschienen von Wolf Peter Schnetz auch der Gedichtband Nicht für die Ewigkeit (2014), die Nachdichtung der Sprüchesammlung Tao Te King von Lao Tse (2009) und die Erzählung Im Jahr der Sphinx – Rückkehr in die Stadt am Strom (2003).
DER ERSTE TAG
Mein Atem schreibt deinen Namen
Das Licht stürzt in den Tag, die Nacht
vom Fels herab stürzt in das Meer
mit schwarzem Flügelschlag.
Weißflammend, möwengrell:
Jetzt ist es hell und schön.
Die Nacht
hat mir aus Fels und Meer
den lichten Tag gemacht.
Das andere Land
Als ich erwachte,
fand ich das ganze Land
von Stille bedeckt.
In den Wolken lag Schnee.
Schöne Gräser wuchsen
im Licht, Gräser
aus weißem, dornigem
Eis. Eisblumen brannten
im Wind, blaue
leuchtende Feuer.
Ich sagte,
dass ich dich liebe.
Du konntest mich hören,
obwohl jedes Wort
auf den Lippen erfror.
Ich hatte Angst,
die Stille zu atmen.
Wir fürchten die Entdeckung
des lang verborgenen
Schweigens.
DER ZWEITE TAG
Ein Brief kann Berge versetzen
Am Ende der Welt,
wo Wasser und Himmel
sich teilen, wo der Abschied
die Erde berührt,
floss durch die Wolke
das Meer, floss durch
die Welle das Licht,
floss durch das Licht
eine leichte Berührung
von Salz.
Auch der Abschied ist schön.
Er schenkt uns alles zurück.
Es war Tag. Es war Nacht.
Der Wellenschlag
riss in den Himmel
ein Licht.
Zauberer
Was kann ich schon
außer:
Worte machen
und Wind
und das Gras so grün,
wie es den Worten gefällt
und die Liebe schwarz
wie Harz
sich auf Herz reimt
noch immer.
Die Wolken so hoch,
dass niemand sie sieht,
nur du und ich,
die sehr fernen, schwebenden
Segel, wandernd
zwischen den Sternen.
Manchmal
aus einem taghellen Himmel
fällt als flammendes Sternbild
die Nacht.
Der Regenbogenbaum
für Robert Ramer
Ein verborgenes Wort
bewacht meinen Garten
mit flammendem Siegel.
Die Früchte
des Regenbogenbaums
sollst du nicht essen!
Sie schmelzen wie Schnee
in der Hand,
wenn die Hand sie berührt.
Wie alles, was nah ist,
wie die Liebe
im Herzen.
Wie die Liebe
im Herzen,
wenn die Haut sie berührt.
Die Stille ist ein Spion.
Unüberhörbar
ruft uns die Stimme.
Der Regenbogen
verrät
mein Versteck.