In der Nische erfolgreich

Dieser Artikel mit einem Rückblick auf die Verlagsgeschichte von Hubert Ettl erschien erstmals im magazin lichtung 2010/1 zum 20-jährigen Bestehen des lichtung verlags. Zum 30-jährigens Verlagsjubiläum im Januar 2020 veröffentlichen wir ihn noch einmal hier auf unserer Webseite.

Vor gut zwei Jahren feierten wir das Jubiläum 20 Jahre magazin lichtung. Auch lichtung-Bücher, die edition lichtung, gibt es schon seit 1989. Aber der lichtung verlag existierte noch nicht? Nein, der wurde erst im Januar 1990 gegründet. Das mutet etwas seltsam an, erklärt sich aber daraus, dass die Zeitschrift zunächst auf Vereinsbasis vom eigens gegründeten Bayerwaldforum e.V. herausgegeben wurde und auch die ersten beiden Bücher, Herbert Pöhnls Fotokatalog Grenzlandschaften und meine Biografie des Fassbinderschauspielers Kurt Raab. Engagiert und mutig waren wir gestartet, aber natürlich stand das Ganze auf wackeligen finanziellen Beinen. Über Aufnahmegebühren von je 100 Mark und einen Jahresmitgliedsbeitrag von 60 Mark hatten wir gerade soviel Kapital beisammen, um die erste Ausgabe der Zeitschrift zu finanzieren, und mit deren Erlösen die zweite, usw. Und bei den ersten Büchern schossen wir Autoren die Produktionskosten vor.
Noch in der Gründungsphase, es muss im Frühsommer 1987 gewesen sein, rief Franz Handlos an, als ich – damals noch Lehrer – gerade von der Schule nach Hause kam. Er war der Mitbegründer der Zeitschrift Schöner Bayerischer Wald und deren Chefredakteur, Bundesabgeordneter der CSU, später der Republikaner. Er wollte uns überreden, die Zeitschriftengründung sein zu lassen und er fragte mich, ob wir denn 50 000 oder 100 000 Mark hätten. Denn die wären unbedingt nötig, um eine neue regionale Zeitschrift auf den Markt zu bringen. Als ich ihm antwortete, dass wir mit unserem Startkapital weit darunter lägen, prophezeite er mir ein Ende nach ein, zwei Jahren. Er hatte sich zwar sauber verschätzt, was unsere Lebensdauer betrifft, aber was die finanzielle Basis anging, hatte er in gewisser Weise recht.
Auch die Hoffnung auf Gelder aus öffentlichen Fördertöpfen mussten wir ganz schnell begraben. So platzte z.B. eine in Aussicht gestellte Förderung durch den Bezirk Niederbayern aufgrund eines Gutachtens des Heimatpflegers im Landkreis Regen, der uns „keine positive (echte) Heimatpflege“ und Niveaulosigkeit bescheinigte. Das ging dann durch die Medien, wie betonköpfig sich diese alte Heimatpflege verhielte. Also kein Geld, aber viel gute PR – war auch nicht schlecht.
Nach nicht einmal zwei Jahren war uns klar: Wir brauchen mehr Kapital, um finanziell unabhängig zu sein, um Durststrecken zu überstehen und um mehr Bücher machen zu können.


Sigi Zimmerschied hatte sein furioses Programm Ausschwitz’n im Herbst 1989 zu spielen begonnen. Beim Gespräch nach einer Aufführung im Passauer Peschlkeller bot er uns an, dieses Programm bei der lichtung als Buch rauszubringen. Er sei mit seinem Verlag in München unzufrieden, er komme zu uns. Joseph Gallus Rittenberg werde die Fotografien beisteuern. Ich konnte es nicht glauben. Wir hatten gerade zwei Bücher bis dahin herausgebracht. Jetzt waren wir noch mehr gezwungen, schnell die unternehmerische Struktur zu ändern. Der Verein verkaufte die Verlagstätigkeit samt Zeitschrfit an die neu zu gründende Verlags-GmbH. Und wie sollte diese Verlagsgesellschaft heißen? Da gab es keine Diskussion: Wir waren die lichtung, also lichtung verlag GmbH. So begann die Verlagstätigkeit neu am 31. Januar 1990, sozusagen ein zweiter Start. Das Bayerwaldforum wurde selbst Gesellschafter, daneben alle Redakteure der Zeitschrift. Also ein Verlag, in dem wir selbst die Eigentümer waren. Und da ich bis dahin schon der verantwortliche Redakteur war, der Initiator der Zeitschrift und Organisator, und das Ganze sich in unserer Souterrainwohnung abspielte, war ich auch schon der Geschäftsführer. Beurlaubt vom Lehrerberuf, um bei unserer zweiten Tochter zu Hause bleiben zu können, den Haushalt zu führen – was mir damals den einen oder anderen hämischen Titel einbrachte („Ja, san Sie jetzt Kindsmagd?“, „Oh, der Edelpensionist!“) –, war ich unversehens in einen neuen Beruf hineingeschlittert, was mir damals noch gar nicht bewusst war. Die wirkliche Entscheidung stand erst zehn Jahre später an, als ich mich nicht mehr beurlauben lassen konnte und ich meine verbeamtete Lehrerstelle zugunsten des Verlags aufgab.
Da gab es aber fast schon kein Zurück mehr: Zimmerschieds Ausschwitz’n, das dann im März 1990 erschienen war, machte uns gleich weit über die regionalen Grenzen bekannt. Noch im selben Jahr folgte Ottfried Fischers Schwer ist leicht was. Und schon bastelte ich an einer neuen Art von literarischem Bildband. Wir waren uns einig, es sollte als Schwarzweiß-Fotoband sich von den ewigen Klischee-Farbbänden absetzen und es sollte ein literarischer Reisebegleiter sein. Eigentlich wollten wir mit einem Band zum Bayerischen Wald starten, aber jetzt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wäre doch ein Blick über die Grenze erst einmal angebracht? Ich konnte Peter Becher vom Stifterverein in München als Mitherausgeber gewinnen, er hatte schon öfter in der lichtung über das Nachbarland Tschechoslowakei geschrieben und er hatte viele Kontakte. Im Herbst 1991 war es schon geschafft, das erste Reise-Lesebuch war gedruckt: Böhmen. Blick über die Grenze. Ein erstes Buchprojekt war dies weit und breit, bei dem tschechische Autoren, die im Land geblieben waren, tschechische Autoren im Exil wie Ota Filip und Pavel Kohout, sudentendeutsche Autoren und bayerische Autoren gemeinsam schrieben. Besprechungen in vielen Zeitungen folgten, Anfang Januar 1992 wurden wir zur Buchvorstellung in die tschechoslowakische Botschaft nach Bonn eingeladen. Jiři Gruša, der tschechische Autor im Exil, im Buch auch mit einem Beitrag vertreten, war dort Botschafter. Diesem ersten Böhmen-Lesebuch folgten sechs weitere Reise-Lesebücher, zuletzt erschienen ein Böhmerwald- und ein Regensburg-Band. Ein Herzstück unseres neuen Verlags war diese Reihe, von der die Kritiker immer wieder schwärmten, („querdenkerische Bayerwald-Anthologie“, „neue literarische Landvermessung“, „unsentimentale Liebeserklärung“).

Zu den ersten Büchern im lichtung verlag zählen Sigi Zimmerschieds "Ausschwitz'n" und Ottfried Fischers "Schwer ist leicht was", beide erschienen im Jahr 1990. (Fotos: Rittenberg und Eva Otto-Brock)

Anfangs waren es 2 bis 3 Bücher im Jahr, später meist 4 bis 6, in einem Jahr waren es sogar zehn Bücher, die wir herausbrachten. Und so wird demnächst das 100. lichtung-Buch erscheinen. Darunter waren auch viele Bücher in nur kleinen Auflagen von 400 bis 600 Exemplaren, aber unter den hundert Büchern ist auch so ein Bestseller dabei gewesen wie Otto Schwerdts Erinnerungen, die eine Gesamtauflage von bis jetzt über 40 000 Stück erreicht haben. Als dieses Buch 1998 erschien, war weder von uns noch von Otto Schwerdt abzusehen, dass dieses Buch ein solcher Erfolg werden würde.
Fast hundert Bücher und gut hundert Ausgaben des magazin lichtung – diese Nummer ist die 105. Ausgabe, manchmal wäre mir die Arbeit fast über den Kopf gewachsen, z.B. 1994/95, als die hiesige Druckerei aus Alters- und Gesundheitsgründen verkauft wurde und dem Nachfolger klar war, dass er das Magazin keinesfalls zum alten, über Jahre gleich gebliebenen Preis würde herstellen können. Und es war gerade die Zeit, als der selbst erstellte digitale Satz in die Redaktionen und Verlagshäuser Einzug hielt. Wir mussten in eine neue PC-Anlage investieren, innerhalb von 2-3 Wochen erlernte ich notdürftig das neue Satzprogramm und versuchte – manchmal der Verzweiflung nahe – das Januarheft 1995 am PC selbst zu layouten. Es gelang, und bald darauf entstanden auch unsere Bücher im Eigensatz.
Der Zweimonatsrhythmus bei der Zeit­schrift war jetzt freilich nicht mehr durchzuhalten. So beschlossen wir im Herbst 1995, die lichtung nur mehr als Vierteljahresschrift herauszubringen. Zugleich wurde der Umfang erweitert, anderes Papier verwendet, so dass die Fotos besser gedruckt werden konnten und wir gaben der lichtung insgesamt ein neues Layout.

Fotos aus den ersten Jahren des Verlags: Hubert Ettl mit Herbert Pöhnl 1989; die Redakteure Harald Dobler, Franz Löschke und Herbert Pöhnl bei einer Verlagsfeier 1992; bei der Vorstellung des Niederbayern-ReiseLeseBuchs im Scharfrichterhaus 1997 mit Joachim Linke, Django Asül, Hubert Ettl, Barbara Dorsch, Manfred Kempinger und Karl Krieg. (Fotos: Verlagsarchiv, Scholz)

Die wirklich bedrohliche Krise für das Magazin kam aber dann im Jahr 2003, als die Abozahlen seit Jahren stagnierten und die Anzeigenerlöse wie bei vielen Printmedien mehr und mehr zurückgingen. So beschlossen wir im Januar 2004, im Sommer aufzuhören mit der Zeitschrift, wenn wir nicht bis dahin 200 bis 300 neue Abonnenten gewännen. Nun waren wir überrascht von der Reaktion unserer Abonnenten und Autoren. Leser warben Leser, in Regensburg, Amberg und Landshut wurden große Benefizveranstaltungen organisiert, die Medien berichteten. Es gelang wirklich in wenigen Wochen, die fürs Überleben nötigen Abos zu gewinnen. Auch die Anzeigenerlöse stiegen, viele treue Anzeigenkunden stabilisieren seither die lichtung.
Freilich, diese finanzielle Situation war nur die eine Seite, die damals – vor allem in der Öffentlichkeit – im Vordergrund stand. Intern war auch die Voraussetzung für ein Weitererscheinen, dass ich die verantwortliche Redaktionsleitung und das Erstellen des Satzes abgeben konnte. Eva Bauernfeind, die schon von Anfang an mitarbeitete, den Veranstaltungskalender zusammenstellte und Korrektur las, übernahm also im Frühsommer 2004 die Chefredaktion, und für den Satz der Zeitschrift engagierten wir die Grafikerin Simone Stiedl. Die lichtung war gerettet. Ein Ausruhen auf Erreichtem kann es freilich nicht geben, jedes Heft soll interessant sein. Vielleicht schaffen wir in diesem Jubiläumsjahr wieder einen Sprung nach vorne in den Abozahlen, von zur Zeit ca. 1300 auf 1500?
Die Verleihung des Literaturpreises des Oberpfälzer Jura an das magazin lichtung Ende Oktober in Beratzhausen war eine Anerkennung, bei der auch wieder deutlich wurde, dass es eben die enge Verzahnung von Zeitschrift und Buchverlag ist, die den lichtung verlag u.a. auszeichnet. Buchautoren schreiben in der lichtung, den lichtung-Lesern werden alle lichtung-Bücher ausführlich präsentiert, immer wieder entstehen so in der Zusammenarbeit mit den Autoren neue Projekte.
Wenn wir heute auf die 20 Jahre lichtung verlag zurückblicken, ist das gewiss eine Erfolgsgeschichte. Keiner von uns hatte damals gedacht, dass wir einmal zu einem der anerkanntesten Kleinverlage Bayerns werden würden; ein Verlag mit Zeitschrift und Buchprogramm, der zwar nur eine kleine Nische im Medien- und Literaturbetrieb besetzt, aber seine Stellung behauptet hat als unabhängiger Verlag mit anspruchsvollem Programm. Je nach Stimmungslage empfindet man das einmal als ständigen Kampf, der viel Kraft kostet, ein andermal als Spiel in einem großen Literatur- und Medienzirkus.
Mitspielen auf dem Buchmarkt heute, und zwar mit bayerischer Literatur – Schwerpunkt Ostbayern –, das ist eine Aufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen, auch im Widerstand zu einem globalisierten Buchmarkt, in dem Bücher schnell auf den Markt geworfen werden und auch schnell wieder vergessen werden. Ein Buchmarkt, bei dem sich die großen Verlage mit hohen Werbezuschüssen (es ist von 50 000 Euro die Rede) in eine wichtige Buchhandelskette einkaufen können.
Dass dies alles aus der bayerischen Provinz heraus betrieben wird, aus dem Bayerischen Wald, beäugt der eine oder andere in den großen Feuilletons immer noch skeptisch, aber andererseits hat sich doch herumgesprochen, dass in der Provinz beheimatet zu sein, hier seine Wurzeln zu pflegen, doch was anderes ist als provinzell zu sein.
In diesem Sinne blicken wir von HinterBayern aus, wie der große Fotoband Herbert Pöhnls 1996 betitelt war (mit Texten von Karl Krieg und Bernhard Setzwein), zuversichtlich mit offenen Augen und Ohren hinaus, ins Bayernland und die Welt, und hoffen, wir können Ihnen, liebe lichtung-Leser, weiterhin ein lebendiges Magazin bieten und viele interessante und schöne Bücher. Wir rechnen mit Ihnen, Ihrem Interesse für das Regionale, das Bayerische, das Kleine im großen Getriebe, für das Kritische und Eigensinnige!

Beim Markt der Kleinverlage im Literaturhaus München 2008 mit Eva Bauernfeind und Hubert Ettl; Hubert Ettl, Harald Grill und Bernhard Setzwein bei einer Benefizveranstaltung 2004; die Akteure der Literaturrevue 2004. (Fotos: Verlagsarchiv)

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