20. Türchen: Hubert Ettl

Staunen

An Weihnachten scheint etwas auf – trotz Kommerz und Konsum –, das das Gemüt der Menschen anspricht, das ans Herz geht. Das an Sehnsüchte anknüpft, die auch die Menschen in unserer entzauberten, durchrationalisierten, ökonomisierten Welt nicht verloren haben. Weihnachten ist ein sinnliches Fest mit Kerzen, geschmücktem Baum, ein Familienfest mit Essen und Trinken. Steckt im Kern der Faszination des Weihnachtsfestes etwas, das auf eine andere Welt verweist, auf eine religiös-spirituelle Dimension des Lebens, auch wenn das Fest stark verweltlicht gefeiert wird? Bei diesem Fest steht das Staunen, das Berührtsein mehr im Vordergrund als das Bekennen von irgendwelchen Glaubenssätzen. Die vollmundige Rede von einem jenseitigen Geist tritt in den Hintergrund, das Staunen und Ahnen angesichts eines Geheimnisses wird zum erfahrbaren Kern des Glaubens. Schon die ersten Hirten, die zum Stall kamen, zu Jesus und seinen Eltern, sollen voll des Staunens gewesen sein.

Text: Hubert Ettl
Foto: Elisabeth Ettl, In Erwartung, Holzskulptur 2019
Foto Autor: privat

Hubert Ettl, geboren 1948 in Nittenau (Oberpfalz), studierte zunächst Lehramt für Volksschulen, danach Pädagogik, Psychologie und Soziologie in München und in Darmstadt. 1977 bis 1987 arbeitete er als Hauptschullehrer. Auf seine Initiative hin wurde 1987 das magazin lichtung gegründet, 1990 der lichtung verlag, den er bis 2013 als Geschäftsführer leitete und als Autor, Herausgeber und Verleger prägte.

Im lichtung verlag erschien zuletzt sein Buch "zweifelnd glauben", in dem sich Hubert Ettl mit Glauben und Spiritualität in der modernen, aufgeklärten Welt auseinandersetzt.